Die Wandlungstagebücher – Teil 3

Es ist ein Jahr her, dass ich nach Deutschland gezogen bin, zurück in das Land meiner Vorfahren in Bayern. Murnau ist nicht mein Geburtsort, aber mein Vater lebt hier, seit sich meine Eltern getrennt haben, als ich zwei Jahre alt war. Ich erinnere mich an viele Sommer meiner Kindheit, die ich am Ufer des wunderschönen Staffelsees verbrachte, wo mein Vater als Rettungsschwimmer arbeitete. Die ganze Gegend ist atemberaubend, mit den Alpen in unmittelbarer Nähe, dichten, wildreichen Wäldern überall und türkisfarbenen Gebirgsflüssen, die sich durch Almwiesen schlängeln, die so reich mit Wildblumen übersät sind, dass ich mich jedes Mal, wenn ich vorbeikomme, nicht davon abhalten kann, Sträuße davon zu pflücken. 

Ich hatte eigentlich nicht vor, hier zu leben – ich hatte vor, nach Dorfen zu ziehen, meiner eigentlichen Geburtsstadt, etwa 90 Autominuten nördlich von hier, 50 km östlich von München. Dort lebt der größte Teil meiner Familie noch immer – meine Tanten und Onkel, die alle dazu beigetragen haben, dass ich zu der Frau geworden bin, die jetzt diese Zeilen schreibt. Es hätte für mich Sinn gemacht, dort zu leben, bei meinen Cousins and Cousinen, oder sogar in der Nähe meiner Mutter, am Stadtrand von München. Aber ich wollte das nicht selbst entscheiden. Ich wollte, dass das Universum für mich entscheidet. Ich wollte mich meinem Schicksal – meiner Seele – hingeben. 

Vor einigen Jahren las ich ein Buch mit dem Titel “The Surrender Experiment”. Es wurde von Michael Singer geschrieben, dem Gründer von WebMed und Autor des Buches “Die ungebundene Seele”, das ich Jahre zuvor gelesen und auch geliebt hatte. 

Darin beschreibt er, was in seinem Leben geschah, nachdem er die bewusste Entscheidung getroffen hatte, sich “hinzugeben” – sich nicht zu wehren, sondern alles anzunehmen, was das Universum ihm anbietet. 

Er hörte auf, auf Angst und Ego zu hören, und hörte nur noch auf sein Herz, auch wenn es ihn aus seiner Komfortzone herausführte – was natürlich der Fall war. Aber er beschloss, zu vertrauen und sich hinzugeben. 

Er nahm Jobangebote, Gelegenheiten und Projekte an, auch wenn sie nicht in die Pläne und Wünsche passten, die er sich für sein Leben gemacht hatte. 

Und was immer er offenherzig annahm, führte ihn weiter auf den direkten Weg der Erfüllung seiner Bestimmung. Ohne es wirklich zu wissen, entwickelte er seine eigene innere Bestimmung und begann, zu seinem wahren Selbst aufzublühen. 

Er diente der Welt durch seine innere Berufung und das Universum unterstützte ihn dabei. Ich war inspiriert. 

Und obwohl ich wusste, dass mein Leben und mein Herz aus einem ganz anderen Material gemacht waren als das von Michael Singer, wollte auch ich mich hingeben. 

Und so beschloss ich bewusst, es mir zur Gewohnheit zu machen, auf meine Seele zu hören und auf den universellen Fluss zu vertrauen. 

Und das passte gut zu den Botschaften der Yoga Sutras, die ich bereits zu leben versucht hatte:

Um glücklich und geistig stabil zu sein und ein authentisches Leben in der Wahrheit unserer Seele zu führen, müssen wir zwei Dinge tun: Achtsamkeit üben und uns dem Augenblick, ohne Angst oder Erwartungen hingeben. Praktisch bedeutet das ganz einfach, dass wir uns des gegenwärtigen Augenblicks bewusst sein und ihn so annehmen müssen, wie er eben ist, ohne Bewertung. Auch wenn es schwierig ist, müssen wir uns der Wahrheit dessen, was ist, stellen, ohne zu urteilen und mit völliger Akzeptanz, bevor wir dann entscheiden, was wir damit tun können.  

Ein Leben in Achtsamkeit und Vertrauen.

Eine besonders interessante Gelegenheit, dies zu praktizieren, ergab sich, als mein Mann und ich beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Glücklicherweise ist auch er ein Praktizierender des Yoga und seiner Philosophie, und so konnten wir beide einfach in aller Liebe anerkennen, dass wir zwar eine gute Beziehung hatten, diese aber ihren Lauf genommen hatte und nun keinem von uns mehr dienen konnte. Wir akzeptierten dies einfach als Tatsache, im Bewusstsein, dass jeder von uns sein eigenes Schicksal erfüllen muss. Wir gaben uns der Wahrheit hin und befreiten uns gegenseitig. Das lehrte mich, dass im vollen Vertrauen auf die Botschaften meiner Seele sogar eine Trennung eine schöne und positive Erfahrung sein kann. 

Bald nachdem wir diese Wahrheit anerkannt hatten, fühlte es sich buchstäblich an, als ob mir ein Stein vom Herzen gefallen war (ein „Stone“ ist in Irland ca 6 kg Gewicht), den ich damals tatsächlich verlor, ohne irgendeine “Diät”, nur weil meine Seele nicht mehr die Last unseres Unglücks trug. 

Und dann kam die Frage: Was nun? Wohin soll ich gehen? Ich hatte die Idee, vielleicht zurück nach Deutschland zu gehen, da ich gerade wieder Kontakt zu meinem lange verschollenen Vater aufgenommen hatte (eine andere Geschichte…), aber meine Kinder und meine Arbeit waren hier, und Deutschland ist kein einfaches Land für eine Selbstständige Yogalehrerin/Ayurvedatherapeutin. 

Also überließ ich es wieder dem Universum. 

Ich saß und meditierte. Ich bat mein Energiefeld buchstäblich, seine Fühler auszustrecken und den besten Ort für mich zu suchen, den Ort, an dem ich am meisten erwünscht war, an dem ich am besten hineinpasste, an dem ich willkommen sein würde. 

Bis ich eine E-Mail von meinem Vater bekam, dass er durch einen seltsamen Zufall über den Freund eines Freundes, der Immobilienmakler war, für mich eine Wohnung in Murnau gefunden hatte. 

Murnau, der hübsche Ferienort, in dem alle wohnen wollen und keiner eine Wohnung findet. Wo die Mieten so hoch sind, dass manche Einheimische manchmal jahrelang suchen, um eine bezahlbare Wohnung zu finden. 

Also habe ich dem Universum gedankt und bin umgezogen. 

Zunächst erkundete ich die Stadt und fand heraus, dass sie als “Esoterik-Hauptstadt Deutschlands” bezeichnet wird, mit ihren vielen Naturheilern, schamanischen Praktikern, Yogalehrern, Schriftstellern und Künstlern. 

Ich erfuhr, dass der Murnauer Stadtrat vor kurzem verfügt hat, dass keine neuen Bauvorhaben oder andere Projekte mehr genehmigt werden, wenn sie nicht nachweislich positive Auswirkungen auf die Umwelt haben. 

Die meisten Geschäfte entlang der Hauptstraße verkaufen fair gehandelte, nachhaltige und biologische oder handwerkliche Produkte – es gibt sogar eine rein biologische, nachhaltige Tierhandlung! 

Selbst mitten in der Pandemie brauchte ich nicht lange, um ein wunderbares kleines Yogastudio zu finden, dessen Besitzerin mich als Lehrerin für einige Kurse einlud. 

Man könnte also sagen, dass dies der perfekte Ort für mich war, so wie ich es mir gewünscht hatte? Ja, aber da war noch mehr:

Eine Woche nach meinem Einzug klopfte ich an die Tür meines Nachbarn, um mich vorzustellen. Er lud mich auf einen Kaffee ein, und wir kamen ins Gespräch und fanden bald heraus, dass wir viele gemeinsame Interessen hatten, so dass wir schnell Freunde wurden. 

Im Laufe der Zeit stellten sich die Parallelen zwischen unseren Leben als recht ungewöhnlich heraus – abgesehen davon, dass wir beide Krebs-Aszendenten sind und uns in unserem Venus-Lebenszyklus befinden, sind wir beide, weg von den Eltern, in einer Großfamilie aufgewachsen, sind beide im Alter von 6 Jahren zu unseren leiblichen Eltern gezogen, hatten beide als Teenager mit Drogen zu kämpfen und hatten beide eine tiefe Begegnung mit dem Tod. 

Das Teilen solch intimer Erfahrungen schafft natürlich eine besondere Art von Vertrauen in den anderen, und so öffneten wir unsere Herzen und für die Liebe und zogen zusammen.  

Das war für mich keine leichte Aufgabe, denn ich wollte mich wirklich in niemanden verlieben. Ich hatte mir vorgenommen, in den nächsten Jahren allein zu sein und meine Freiheit zu genießen, und ich muss zugeben, dass es mir anfangs schwerfiel, mir zu erlauben, so zu fühlen, wie ich offensichtlich fühlte. Mein Verstand fand alle möglichen Ausreden – aber er ist mein Nachbar, aber es ist zu früh, aber er ist zu alt, aber…

Da er ursprünglich aus Spanien stammt und dort immer noch das Haus seiner Kindheit besitzt, werden wir den Sommer dort verbringen… Natürlich habe ich den Ort gegoogelt und herausgefunden, dass es in der Nähe ein Ashtanga-Yoga-Retreat-Zentrum gibt, das von einem irischen Paar geleitet wird… 

Also habe ich jetzt angefangen, Spanisch zu lernen… 

Natürlich gibt es noch viele weitere Begegnungen und Zufälle – von denen nicht alle einfach für mich waren. 

Im Gegenteil. Ich habe gelernt, dass ein Ortswechsel auch einen Energiewechsel bedeutet. 

Anstatt in einer, von Mond und Wasser beherrschten Welt wie Irland es ist, zu leben, von sanften, spirituellen, fantasievollen und freundlichen, Kapha geprägten Menschen umgeben zu sein, befinde ich mich jetzt in einer Mars-Linie, umgeben von viel Kopf-lastigeren Pitta-Menschen, die mich – zugegeben – oftmals triggern und in mir Widerstände, Ängste, Kindheitstrauma hervorrufen, die jedoch gerade hier gelöst werden können. 

Genau diese Widerstände haben mich, wie Wegweiser, immer wieder auf meinen Weg geschoben, den Weg, den meine Seele braucht – dieser Weg birgt eine ganz eigene Geschichte und ich werde sie bestimmt bald versuchen, in Worte zu fassen. 

Und das ist es, worum es bei der Hingabe wirklich geht, nicht wahr? Das Ego, die Ängste und die Sehnsüchte des Verstandes aufzugeben, die nur den Blick auf die wahre Seele, auf unsere wahren Herzenswünsche trüben. Wir denken oft nur, dass wir etwas wollen, weil es einfacher ist, weil es in der Komfortzone liegt, weil es vertraut ist, oder weil es das ist, was andere als das Beste für uns ansehen, was von uns erwartet wird, von unserer Familie, von unserer Gesellschaft. 

Und natürlich wird es immer Menschen geben, die enttäuscht sind, dass wir nicht so gehandelt haben, wie sie es sich gewünscht hätten, aber ist das Grund genug, unsere eigene Chance auf wahres Glück, Freude, Freiheit und Authentizität zu opfern?

Wenn wir den Weg unserer Seele gehen, werden wir unterstützt. Wenn wir unserer wahren Herzensberufung folgen, auch wenn es anfangs schwierig ist, werden wir Freude finden. Wenn wir wirklich ehrlich zu uns selbst sind, werden wir Freiheit finden, da bin ich mir sicher. 

Und so werde ich weiter üben, zumindest mein Bestes geben:

Jeden Moment genau so anzunehmen, wie er ist, mein Ego aufzugeben und den Weg meiner eigenen Wahrheit zu gehen.

Share on Social Media