Es gibt eine wunderschöne Vedische Geschichte, die in den letzten Jahren sehr passend zu sein scheint. Vielleicht kannst ja auch du dich damit identifizieren:
Surya – der strahlende Sonnengott – regierte das Universum mit viel Energie und Weitsicht. Er schien sein glühendes Licht bis in die weit entferntesten Orte und gab allen Wesen Lebenskraft. Aber Sanjana – Surya’s Frau – ging oft lehr aus. Obwohl sie ständig seine Hitze aushalten musste, wurde sie nicht wirklich von ihm wahrgenommen. Also entschied sie sich eines Tages, sich eine Auszeit zu gönnen. Aus ihrem Schatten formte sie eine Gestalt, die genau wie sie selbst aussah, und nannte sie Chaya, die Schattenfrau. Sie beauftragte Chaya, bei ihrem Mann zu bleiben, während sie sich unten auf der Erde abkühlen wollte. Eine Zeitlang ging das auch gut, aber nach einem Jahr erfuhr sie von einem vorbeifliegenden Adler, dass Chaya ein Kind geboren hatte.
Wutentbrannt flog sie zurück und verbannte Chaya sofort wieder in den Schatten.
Ihren kleinen Sohn, der Shani hiess, konnte sie jedoch nicht loswerden. Da Surya von ihrem Spiel ja gar nichts gewusst hatte, wollte sie es ihm jetzt auch nicht erzählen, also tat sie so, als wäre sie Shani’s Mutter – als hätte sie ihm geboren. Innerlich allerdings, hegte sie einen bitteren Groll gegen das Kind.
Also wuchs Shani auf ohne wirkliche Liebe, Aufmerksamkeit oder Unterstützung zu erfahren. Während seine Geschwister alles bekamen, was sie sich nur wünschten, musste er leer ausgehen und wie ein Aschenputtel, alle möglichen Arbeiten verrichten, bis er hager und alt aussah.
Als nach vielen Jahren schliesslich alle seine Geschwister ausgezogen waren und dazu grosse Gaben und Abschiedsgeschenke von Surya bekommen hatten, beschloss er, sich seinem Vater zu offenbaren. Er bat ihn also, ihm zuzuhören und Surya zog seine Gestalt zu einem kleinen Ball zusammen, so dass Shani sich nicht verbrennen würde – und er hörte ihm zu.
Erst nachdem er sich sein Leid von der Seele gesprochen und sein Herz geöffnet hatte, erkannte Surya, welchen Fehler er und seine Frau begangen hatten.
Um diesen Fehler wieder gut zu machen, gab er Shani das grösste Geschenk, das er ihm machen konnte: Unsterblichkeit. Er machte ihn zu einen unsterblichen Planeten, der über die Grenzen des Lichts herrscht und alle anderen Planeten dadurch beschützt. Er machte ihn zu Saturn. Und als Saturn patrouilliert Shani noch immer die äußersten Grenzen des Lichts. Durch seine Kraft, schreckliches Auszuhalten, die er durch sein erbärmliches Leben erlernt hatte, fängt er alte, tote Brocken und negative Energien auf, die sonst den anderen Planeten zur Gefahr werden würden. Er ist der Beschützer des Lichts, des Bewusstseins. Er ist deswegen auch der Planet des Yoga – Shiva ist seine Gottheit.
Und jetzt gerade, bereits seit 1920, ist Saturn besonders stark. Er zeigt uns unsere Grenzen. Er beschützt uns vor uns selbst. Er lässt uns aushalten, um stark zu werden, wie der Diamant, der nur durch gewaltigem Druck und Dunkelheit aus Kohle erschaffen wurde. Oder wie die Perle, die nur durch Verletzung und Schmerz aus einem Sandkorn entsteht. In dieser Zeit zeigt er uns, wer wir wirklich sind.
Er gibt uns Wegweiser, wohin es in unserem Leben gehen soll, und wir tuen gut daran, ihnen zu folgen.
Nicht immer ist das leicht. Was Shani betrifft, ist es selten leicht.
Ich versuche schon seit Jahren diesen Wegweisern zu folgen. Sie haben mich hierher geführt, nach Murnau, wieder vereint mit meiner Familie, meinem Vater und auch meiner Mutter. Sie haben mich zu meiner therapeutischen Ausbildung geführt und dabei tief hinab zu mir selbst, da wo meine Drachen und Damonen leben, aber sie haben mir auch die Kraft gegeben, mich ihnen zu stellen. Auch wenn ich manchmal daran gezweifelt habe…
Aber ich habe gelernt, Shani zu vertrauen. Yoga bedeutet nicht einfach nur wunderschöne Figuren mit dem Körper formen zu können – es bedeutet sich den inneren Damonen zu stellen, die wir alle haben, denn nur deswegen sind wir hier. Erst wenn wir alle unsere individuellen und kollektiven Traumata, negativen Glaubenssätze und inneren Ängste aufgelöst haben, haben wir den Zustand von Yoga – Samadhi – erreicht. Und dazu müssen wir auch mal die Dunkelheit aushalten können, das Leiden, das wir uns selbst verursachen, akzeptieren und loslassen. Erst dann, wenn wir unsere Beziehung zu unseren Eltern bereinigt haben, werden wir losgelöst sein von unserem Leiden. Das ist es, was Shani uns beibringen will.
Gerade jetzt, in der Vor-Weihnachtszeit, wird so manche Kluft wieder bemerkbar, die zwischen uns und unseren Familien herrscht. Die grösste Aufgabe, die uns bevorsteht ist die, unsere Eltern als das zu sehen, was sie sind, ohne die Filter unserer vergangener Leiden: Menschen mit eigenen Traumata und Leiden, die das beste, was sie tun konnten, getan haben. Erst dann, wenn wir das wirklich verstehen, verstehen wir den tieferen Sinn von Yoga.
Noch bis zum Frühling wird Saturn stark bleiben, bis er dann sein zuhause – den Wassermann – verlässt und in die kühlen Tiefen der Fische eintaucht.
Was dann passiert, werden wir wohl noch sehen!
(Mehr Informationen zu Vedischer Astrologie findet ihr hier: https://sandrahayes.de/jyotisch/)